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Indien, der Subkontinent – Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Besonders wenn man nach Incredible India reist. Das wusste zwar schon Helge Timmerberg, dessen Bücher ich bis zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht kannte. Als ich anfange diesen Bericht zu schreiben, wird mir bewusst dass bereits ziemlich genau 10 Jahre vergangen sind seit ich dieses Abenteuer Indien erleben durfte.
Meine erste Reise nach Incredible India, oder Pleiten, Pech und Pannen
Im Januar 2007 hatte ich meine erste Gelegenheit nach Indien zu reisen, in ein Land das sich zu dieser Zeit im Aufbruch in Sachen erneuerbare Energien befand.
Es gab mehr und mehr Unternehmen die sich mit Windkraft beschäftigten und einige lokale als auch Firmen aus Übersee fassten Fuß auf dem Subkontinent.
Das für mich eigentliche Mutterland der Windkraft – Dänemark – unterstützte ihre Firmen beim Gang nach Indien. Die dänische Regierung organisierte für die Mitglieder des dänischen Windkraftverbands eine Delegationsreise zu den wichtigsten Firmen der Branche.
Da wir zu dieser Zeit mit einer noch sehr jungen und kleinen Firma in Dänemark präsent waren, bekam ich die Chance hier mitzureisen.
Die erste Hürde auf dem Weg nach Indien
Die Reise war organisiert und gebucht von einem Dänischen Reisebüro, also waren die Flugtickets in Dänemark ausgestellt und der Abflughafen war Billund, damals ein kleiner Regionalflughafen gegenüber des berühmten Legoland Parks.
Also musste ich am Vortag von Stuttgart über Amsterdam nach Billund anreisen, um am nächsten Tag über Frankfurt weiterzufliegen.
Ich übernachtete die erste Nacht im bekannten Legoland-Hotel in Billund das direkt am Legoland-Park und Flughafen liegt.
Am nächsten Morgen traf ich bereits am Flughafen Billund in der Lounge ein paar Leute mit dem gleichen Reiseziel. Da von Billund aus nur wenige Flüge nach Deutschland starteten war diese Chance natürlich groß.
So hatte ich zu einigen meiner Mitreisenden schon mal ein Gesicht.
Unser erstes Ziel war Frankfurt, von wo wir dann mit Lufthansa nach Mumbai weiterflogen.
Während wir uns unterhielten und kennenlernten, verschob sich unser Abflug mehrmals nach hinten. Letztendlich war dann nach 2 Stunden klar, dass die Umsteigezeit in Frankfurt von 45 Minuten nicht mehr reichen wird…
Ich erfuhr von den Mitreisenden auch, dass ein Teil der Gruppe von ca. 30 Leuten von Kopenhagen nach Frankfurt aufbrachen.
Da es eine Gruppenreise war waren auch Vertreter des Außenhandelsministerium und des Windkraftverbandes dabei, die als Reiseführer und Organisatoren halfen.
Auch die Flüge von Kopenhagen waren verspätet und doch schafften wir es irgendwie, uns im Terminal des Frankfurter Flughafens als Gruppe zu treffen. Mit jeweils über 2-stündiger Verspätung und unsere Lufthansa Flieger war schon auf dem Weg nach Mumbai.
Nun hieß es sich an der Warteschlange anzustellen um einen alternativen Flug zu bekommen. Nach einiger Wartezeit ergab sich für einen Teil der Gruppe ein Weiterflug von Frankfurt nach Mumbai am Nachmittag mit Jet-Airways.
Für die wenigen restlichen Passagiere und damit auch für mich, wurde ein Flug über London Heathrow mit Air India angeboten.
Umweg über London nach Mumbai
Also flogen wir erst mal mit der nächsten British-Air Maschine nach London und stiegen dort in eine Boeing 747 der Air India ein.
Nach dem Boarding stellte sich heraus, dass dieser Jumbo der Air India an diesem Tag nicht sonderlich voll besetzt war. So war ich in einer mittleren Sitzreihe ganz alleine und freute mich, später quer über die 4 Sitze liegen zu können.
Aber da waren doch noch ein paar Passagiere in der Reihe hinter mir. Es sollte meine erste Begegnung mit Indien werden – Indien ist laut!
O.k. es war nicht die ganze Familie hinter mir laut, es war die Oma. Mit ihrer nervigen, lauten und kreischenden Stimme plapperte sie ohne Unterlass….
Mir war sofort klar, das wird so nichts und suchte mir einen freien Platz ein paar Reihen weiter vorne. Zum Glück war hier sehr viel Platz.
Aber Oma war lauter. Nach dem 3. Mal umsitzen hatte ich nun ca. 10 Sitzreihen Vorsprung, einen erträglichen Abstand und immer noch 4 Sitze für mich.
Nach dem Start hatte mich die nette Stewardess von Air-India mit mehreren kleinen Flaschen Rotwein versorgt und so stand einem ruhigen angenehmen Flug nach Mumbai nichts mehr im Weg.
Ankunft in Mumbai
Das Erwachen kam dann wieder in Indien. Nach der Ankunft fand sich die Gruppe recht schnell wieder zusammen, da wir durch den Umweg über London ungefähr die gleiche Ankunftszeit hatten.
Nun stellte sich jedoch heraus, dass Jet-Airways das Gepäck meiner Mitreisenden in Frankfurt vergessen hatte. Also wieder anstehen, diesmal am Lost & Found Schalter in Mumbai. Danach nochmal am Jet-Airways Schalter um zu erfahren, dass es außer einem Night-Kit (also Zahnbürste und Kamm) keine Entschädigung für Verspätung und Gepäckverlust gibt.
Das Problem mit dem Gepäck war, dass wir ein straffes Programm hatten und jeden Tag an einem anderen Ort und in einem anderen Hotel waren.
Wer den Film Wilder Westen Inklusive von Dieter Wedel kennt, weiß um Bruno Küssling, wir hatten also nun mehrere mitreisende Brunos.
Der erste Weg führte uns deshalb in Mumbai in ein kleines Einkaufszentrum damit sich die Kollegen mit dem notwendigsten eindecken konnten.
Vom Flughafen zum Einkaufszentrum wurden wir von einem Limousine-Service gebracht. Klimatisierter Wagen, gekühltes Wasser in Flaschen und der Fahrer trägt weiße Handschuhe, irgendwie doch standesgemäß, freuten wir uns.
Ich weiß bis heute nicht die ausgewählte Route die der Fahrer nahm, ich habe sie bei meinen späteren Reisen nie mehr gesehen. Unser erster Eindruck von Indien war gut!
Und es wurde noch besser als wir unser Hotel erreichten, wir residierten genau gegenüber dem „Gateway of India“ im Hotel Taj-Mahal.
(Ein Klick auf die Bilder zum vergrößern)
Gateway of India gegenüber dem Taj-Mahal Hotel
Das berühmte Hotel Taj-Mahal in Mumbai
Dass dieses Hotel ein Jahr später im November 2008 durch einen Terrorangriff mit mehreren Toten weitere traurige Berühmtheit erlangen wird, wusste wir ja noch nicht.
Auch das Zimmer das ich bewohnte, stand bei dem Terrorangriff in Flammen.
Nachdem wir im Hotel eingecheckt hatten wollten wir natürlich voller Tatendrang uns die Sehenswürdigkeit Gateway of India auf der anderen Straßenseite aus der Nähe ansehen.
Somit hatten wir jetzt erstmals richtigen Kontakt zu „Mother India“: Hitze, Luftfeuchtigkeit, Lärm, Menschen und Schmutz…
Taxis vor dem Hotel
Menschenmassen am Gateway of India
Es sollte unser erster kleiner Kulturschock der Reise sein, den wir jedoch mit einem Whisky der traditionellen Marke „Cutty Sark“ in der Hotelbar aber leicht verdauen konnten. Nach dem Abendessen am Pool des Hotels ging es früh ins Bett, da die Abfahrt mit dem Bus zum ersten Termin bereits um 50 Uhr geplant war.
Wenn Indien erwacht
Um 5 Uhr ging es am Montag Morgen los. Mit einem komfortablen Reisebus startete die Gruppe in Richtung des ersten geschäftlichen Termins der Woche. Die geplante Fahrzeit war ca. 2-3 Stunden.
Aus dem Bus heraus konnten wir beobachten was es heißt wenn Indien erwacht. Inder die noch auf der Straße schlafen, Menschen bei der Morgentoilette am Straßenrand – und nein, ich meine nicht das rasieren, und vieles mehr.
Als wir die Stadt verlassen haben und uns auf einer Art Autobahn befinden, muss unser Fahrer plötzlich abbremsen. Als wir gerade stehen gibt es einen Knall und einen Ruck. Wir ahnen Böses und nachdem der Fahrer recht schnell die hintere Türe geöffnet hat, begeben uns recht zügig aus dem Bus.
Ein LKW krachte uns ins Heck des Busses
Was wir noch sehen als wir den Bus verlassen ist ein blutender LKW-Fahrer sich gerade aus dem Staub macht und in einem Gebüsch verschwindet.
Da es in Indien wohl an der Tagesordnung ist dass ein Unfallverursacher verprügelt wird, verließ er den Unfallort auf nimmer wiedersehen.
Nun hieß es auf die Polizei warten und da unser Bus nicht mehr fahrbereit war auch auf einen Ersatzbus.
Der Motor lief nach dieser Karambolage nicht mehr
Wäre der Bremsweg mit guten Reifen kürzer gewesen?
Fahrer und Reiseleiter begutachten den Schaden
Die Temperaturen waren an diesem Morgen noch relativ angenehm und der Bus hatte genügend gekühltes Wasser an Bord.
Nach 3-4 Stunden war die Sache dann von der Polizei aufgenommen und ein Ersatzbus war vor Ort.
Busfahren in Indien
Weiterreise mit Hindernissen
Nun ging es ein kurzes Stück weiter und an der nächsten Ausfahrt verließen wir die Autobahn. Auf unsere Frage ob wir bald am Ziel wären kam leider eine negative Antwort. Der Grund dass wir die Autobahn verließen war, der Ersatzbus hat kein Permit (also keine Genehmigung) zum befahren von Autobahnen. So mussten wir unsere Fahrt über Land fortsetzen.
Leben am Fluss…
Imbiss am Straßenrand
Unser Eindruck war, dass durch manche Dörfer durch die wir fuhren, noch nie zuvor ein Bus gefahren ist. Wir sahen Leben und Armut am Fenster vorbeiziehen. Für die meisten von uns war es die erste Reise nach Indien und im Bus wurde es still. Jeder starrte aus dem Fenster und versuchte einzuordnen was wir dort alles sahen.
Dann blieb der Bus plötzlich wieder stehen und wir sahen dieses Schauspiel:
Über die Brücke rechts sollten wir fahren, diese war jedoch wegen Baufälligkeit gesperrt. Alternativ wurde im Fluss ein Damm errichtet über den der Verkehr umgeleitet wurde.
Leider war kurz zuvor ein Tanklastwagen mit dem aufgeschütteten Damm abgerutscht und blockierte nun den einzig möglichen Weg.
Ein Bagger und viele Frauen mit Eimern schütten einen neuen Fahrweg neben dem festgefahrenen Tanklaster auf.
Wir haben Bedenken ob wir mit unserem Bus diesen Damm und den folgenden Berg schaffen, unser Fahrer ist zuversichtlich.
Nachdem wir nach einer weiteren guten Stunde Wartezeit auch diese Hürde überwunden haben, muss jedoch auch unser Fahrer und der Reiseleiter erkennen dass eine Rückfahrt auf diesem Weg bei Dunkelheit ausgeschlossen ist.
Nachdem letztendlich unser Kundentermin verkürzt und mit Verspätung über die Bühne ging, werden dann mehrere Jeeps für uns gemietet die wir für die Weiterreise nutzen.
Die positive Überraschung des Tages, heute kam endlich das Gepäck der Mitreisenden in Indien an.
Am Ende des Tages, also sehr spät, erreichen wir ziemlich erschöpft unser Hotel.
Weitere Überraschungen und Industriespionage
Nach einer kurzen Nacht geht unsere Reise mit einem neuen Bus weiter, das Ziel ist die Firma Enercon in Indien.
Als wir das Firmengelände erreichen wird uns mitgeteilt dass wir das Firmengelände nicht betreten dürfen. Ersatzweise wird statt der geplanten Werksbesichtigung ein Meeting in einem nahe gelegen Hotel arrangiert.
Erst Jahre später wird bekannt, dass es bei Enercon India Unregelmässigkeiten gab und Ende 2015 ein weiterer Fall von Industriespionage im Zusammenhang mit der indischen Niederlassung auffliegt. Dies dürfte auch die Ursache für kurzfristigen Abbruch unseres Besuchs gewesen sein.
Ziemlich ausgetrocknet fahren wir nach diesem etwas missglückten Treffen in Richtung Flughafen der Stadt Pune.
Da unser nächster Flug von einer Airline mit dem Namen des gleichnamigen berühmten indischen Bieres „Kingfisher“ (also Eisvogel) durchgeführt wird steigt die Freude mit jedem Kilometer nach Pune.
Im Flughafen begeben wir uns nach dem Check-In in die Abflughalle um uns hier mit einem kühlen Getränk zu erfrischen. Leider wird uns mitgeteilt, heute ist Dry-Day. An einem Dry-Day gibt es keinen Alkohol. Anlass ist offenbar eine Wahl bei der die Inder nüchtern ihr Kreuz machen sollen.
Kurze Aufruhr gibt es, als ein Mitreisender Däne mit einer kalten Dose Bier stolz und genüsslich an uns vorbeimarschiert. Es stellt sich allerdings heraus, dass es die letzte kalte Dose des Händlers war und das Bier alkoholfrei ist.
So löschen wir unseren Durst mit warmem Cola und noch wärmeren Eistee und setzen alle Hoffnung auf das Kingfisher Flugzeug.
Aber auch im Flugzeug heißt es wieder – Dry-Day!
Kingfisher gibt es übrigens auch in Deutschland bei Amazon zu kaufen 🙂
Unser nächstes Ziel heißt nach einer kurzen Zwischenlandung in Bangalore dann weiter nach Chennai, dem früheren Madras.
Empfang in Chennai
Ein großer Bahnhof wird uns beim Eintreten in unser Hotel in Chennai geboten.
Neben vielen geschäftlichen Kontakten bei einer Art Speed-Dating Veranstaltung bleibt uns hier wenig Zeit für andere Aktivitäten.
Speed-Dating mit Kunden
So verbringen wir den Abend in der Hotelbar bei Kingfisher und Cutty Sark Whiskey.
Apropos Cutty Sark. Das ist nicht nur ein bekannter Whiskey, sondern auch ein berühmtes Segelschiff.
Die Cutty Sark ist übrigens heute in Greenwich/London zu besichtigen
Bemerkenswert waren die Sicherheitsvorkehrungen in unserem Hotel. Die schwedische Premierministerin Maud Olofsson war nämlich im gleichen Hotel untergebracht. Sie war aus Anlass der Ankunft des Nachbaus schwedischen Handelsschiffes „Götheborg“ in Chennai.
So lebten wir die 2 Tage wie hinter schwedischen Gardinen und wurden auf dem Weg zu unseren Zimmern mehrfach kontrolliert.
Dazwischen Kundenbesuche und weitere Kontraste:
Vor den Werkstoren…
… und dahinter:
Windenergie in Coimbatore – Der Süden Indiens
Am letzten Tag unserer Reise stand für einen Teil der Gruppe noch ein Trip zu einem der größten Windparks des Landes nahe Coimbatore im Bundesstaat Tamil-Nadu auf dem Programm.
Hier lernten wir die etwas ländlichere Gegend Südindiens kennen. Wesentlich sauberer als in den Städten und die Bevölkerung scheint hier weniger in Armut zu leben und hat ein Einkommen aus der Landwirtschaft und ihren Kokospalmen.
Bananenlaster
Busverkehr auf dem Land
Ein Restaurant mit erstaunlich guter Küche
Kaum parkt man 10 Minuten, wird das Auto zum Marktstand umfunktioniert
Kokosnuss, eine willkommene Erfrischung auf dem Weg.
Rückreise nach Europa
Die Rückreise klappte am Ende dann doch (fast) Reibungslos
Nach dem Rückflug von Coimbatore nach Chennai traf sich die gesamte Gruppe wieder am Check-In Schalter.
Da der Flug nach Frankfurt jedoch überbucht war bekam ich das Angebot freiwillig am nächsten Tag zu fliegen. Als Entschädigung wurde mir 100 Euro angeboten, die ich dankend ablehnte. Der Weg nach Hause war über Frankfurt, Billund, Amsterdam nach Stuttgart eh schon lang genug.
Epilog – Wie ich auf den Verein Asha-Varadhi traf
Indien und ich, wir werden keine Freunde. Das war mein Fazit dieser Reise.
Da ich noch einige Rupien von dieser Reise übrig hatte und ich mir sicher war daß ich nicht mehr dort hin reisen will, war die Frage wohin damit?
Ich wurde auf den Verein Asha-Varadhi (Brücke der Hoffnung nach Indien) in Köngen aufmerksam und besuchte an einem Samstag deren Kuchenverkauf auf dem Köngener Wochenmarkt.
Dort traf ich auf den Gründer des Vereins Reiner Schmid. Ihm übergab ich meine Rupien als Spende und wir kamen ins Gespräch.
Etwas später habe ich eine Patenschaft für einen indischen Jungen übernommen, damit er in der St. John’s School in Maria Nagar eine Schulbildung bekommt.
Mittlerweile unterstütze ich den Verein ebenso wie zahlreiche andere Mitglieder ehrenamtlich als 2. Vorstand.
Ich war in der Zwischenzeit noch zweimal in Indien. Diesmal wusste ich was mich erwartet und der Kulturschock relativiert sich.
Für 2017 plane ich einen weiteren privaten Besuch, um mein Patenkind, das dann 18 Jahre alt sein wird, noch einmal wieder zu treffen.
Gerne nehmen wir noch Mitglieder und Paten auf und freuen uns über jede Unterstützung dieser privaten Initiative.
Ihr könnt den Verein einfach mit einer Mitgliedschaft unterstützen. Infos unter www.asha-varadhi.de
Beim Einkaufen bei Amazon einfach über diesen Link reingehen (Kostet Nix :-))
Oder mit einer Spende an:
Asha Varadhi e.V.
Kontonummer: 8669993
BW-Bank Stuttgart (60050101)
IBAN: DE55600501010008669993
BIC/SWIFT-Code: SOLADEST600
Oder Online über Spendenportal.de